Ich bin hier, und alles ist jetzt

Ein Buch von Edith Eva Eger

Edith Eva Eger ist eine jüdische Holocaustüberlebende. Es gibt viele Bücher von Menschen, die den Holocaust überlebt haben, aber dieses Buch hat etwas ganz Besonderes. Ähnlich wie bei Victor Frankl oder Imre Kertesz ist es kein anklagendes Buch, Sie wurde später selber Psychotherapeutin und hat mit vielen Menschen gearbeitet, die selber ein Trauma zu verarbeiten hatten, parallel dazu, dass sie ihres bearbeitete. Das ist das eine an dem Buch, was tief bewegt und auch für erfahrene Therapeuten hilfreich sein kann, denn der Wechselbezug ist berührend. Es half ihr in ihrer Arbeit und half ihren Patienten, dass sie auf dem selben Weg war und ihre Patienten halfen ihr, weil sie im Spiegel der Patienten immer tiefer in ihre eigene Seele blicken konnte. Als Autobiographie geschrieben, lernt man daraus an vielen Stellen mehr, als in manchem Lehrbuch!

Was aber noch tiefer bewegt sind ihre Schilderungen aus dem KZ und welche Reslienzkräfte ihr zur Verfügung standen. Eine Szene. Nach der Ankunft wurden noch am selben Tag ihre Mutter und ihr Vater durch Mengele ausgesondert und in der Gaskammer ermordet. Am selben Tag kommt Mengele in die Baracke, in der sie mit ihrer Schwester und vielen anderen jungen Frauen untergebracht worden war. Mengele, „ein kultivierter Mörder“ machte es oft auf der Suche nach begabten Künstlerinnen, die ihm etwas vorführen konnten. Edith Eva Eger war in der Zeit vor der Inhaftierung Kunstturnerin, Ballerina und Tänzerin. So wurde sie vorgeschoben und musste vor Mengele zur der Musik „an der schönen blauen Donau“ tanzen. Sie tanzt um ihr Leben. Während des Tanzes fühlt sie, dass Mengele, der gerade ihre Eltern getötet hat, bemitleidenswerter ist, als sie: „Ich bin frei in meinem Kopf, was er niemals sein kann. Er wird immer mit dem leben müssen, was er getan hat. Er ist gefangener, als ich es bin. Als ich mein Programm mit einem anmutigen Spagat beende, bete ich, doch ich bete nicht für mich. Ich bete für ihn. Ich bete ihm zuliebe dafür, dass er nie die Notwendigkeit sehen wird, mich töten zu müssen.“ Die Vorstellung muss ihn beeindruckt haben, denn er wirft ihr einen Laib Brot zu, das sie mit ihren Mitgefangenen teilt. Später, müssen sie in ein anderes Lager, es kommt zu langen Märschen der geschwächten Gefangenen Frauen, viele kippen erschöpft um, bleiben liegen und sterben. Auch sie ist kurz davor, ausgehungert und schwer verletzt. Da wird sie von ihren Begleiterinnen gestützt. Warum sie das taten? Weil sie mit ihnen das Brot geteilt hat. „Mengele hat mir das Leben gerettet!“ ist ihr Schluss! Dies ist nur eine von vielen Szenen.

Ihr langes Verbergen des Traumas vor sich selber, das Fliehen in Perfektionismus, die Annahme des Traumas, der lange Weg, sich selber zu finden, die Konfrontation mit dem Trauma in Berchtesgaden in dem Bett liegend, in dem Göbbels oft geschlafen hat, zuletzt die Reise nach Auschwitz gegen den Rat aller ist ein spannender Weg zu ihrer eigenen Befreiung. Man kann das Buch kaum aus der Hand legen, so spannend ist es geschrieben.