Ein wenig Leben

Ein Buch von Hanya Yanagihara

 

Nach und nach werden wir Bücher vorstellen, die zu unserem Traumathema passen. Heute möchte ich ein Buch vorstellen, das kein Sachbuch ist, sondern ein Roman.

„Von einem Roman so richtig durchgeschüttelt zu werden, das kennt man doch eigentlich aus den Teenager-Jahren, wenn das Leben noch eine weite, offene Fläche der Möglichkeiten zu sein scheint. Doch Hanya Yanagihara hat ein Buch geschrieben, das auch Leser, deren Strukturen gefestigter erscheinen, ganz gehörig aufwühlt.“

So beginnt die Rezension in Spiegel-Online vom 06.02.2017. Und es ist wahr: In einer wunderschönen Sprache (guter Übersetzung!) wird die dramatische Biographie von Jude St. Francis erzählt, von seinen Freunden aus Collegezeiten, seinem Hochschullehrer und seinem Arzt.

Eine Geschichte voller unglaublich günstiger Bedingungen, besten Chancen, Erfolg, Liebe und tragenden Freundschaften. Aber all dem zum Trotz ist der traumatische Prozess nicht aufzuhalten, von dem man langsam erst beim Lesen der 960 Seiten erfährt. Man geht die dramatische Abwärtsspirale von Verleugnung, Lüge, Selbstzerstörung und innerlichem Zerbrechen mit hinab in die unausweichlich scheinende Tiefe letzter und allerletzter Dunkelheiten.

Sicher ist die Geschichte der seriellen Traumata sehr massiv ausgewählt. Sicher sind die unglaublich glücklichen Umstände sehr überzeichnet dargestellt. Aber in diesem Kontrast wird umso deutlicher, welch dramatischen Verlauf ein Traumaprozess nehmen kann.

Von Hanyya Yanagihara (Geboren 1974), einer New Yorker Schriftstellerin und Journalistin wird dies einfühlsam, kenntnisreich und fesselnd beschrieben in einer nie übertreibenden, nie kitschigen, nie urteilenden, immer ästhetischen Sprache, ebenso als Hörbuch mit einer wundervollen und angemessenen Stimme von Torben Kessler gesprochen.

Wer Fachbücher nicht lesen will und kann, aber tief in das Traumathema einsteigen will und starke Nerven hat, sei dieses Buch wärmstens empfohlen.