Der Klang der Wut

Ein Buch von James Rhode

In einer gewöhnungsbedürftigen, nicht selten vulgären Sprache schreibt James Rhodes mit 39 Jahren seine Autobiographie, für die man sich warm anziehen muss. Per einstweiliger Verfügung wurde das Buch zunächst verboten, dann aber schließlich vom obersten Gerichtshof befürwortet.

Es ist eine Missbrauchsgeschichte, eine Geschichte, die davon handelt, wie er seinen Gespenstern versucht wegzulaufen, es nicht schafft, mehrmals in der Psychiatrie landet, bis er – ohne dass es ihn „heilen“ würde, seine Rettung in der klassischen Musik findet. In der Klassikszene ist er nun das Enfat terrible, der in den großen Konzertsälen der Welt in T-Shirt und Turnschuhen ausverkaufte Konzerte gibt, weil seiner Spielweise die Wut, die Zerrissenheit, die Leiden und Leidenschaften spüren lässt.

Er sucht auch nach entsprechender Musik und widmet jedes Kapitel einem Komponisten, einem Stück und nennt den Interpreten, der die von ihm gemeinten Aspekte am stärksten herausgearbeitet hat – es gibt auch eine Angabe zu der Internetseite, wo man diese Stücke dann hören kann, die er auch zu Beginn eines jeden Kapitels drastisch, schonungslos und bewundernd beschreibt.

Selten hat Jemand einem breiten Publikum derart ungeschönt, offen und selbstkritisch Einblick in seine Dämonen und dunkelsten Seiten der Seele gezeigt, die von dem jahrelangen Missbrauch vergiftet und verwüstet worden ist. Aber was Kunst (hier die Musik) dabei vermag, welchen Halt, welchen inneren Reichtum sie einem zu geben vermag, wie sie als Rettungsring dem Ertrinkenden „retten“ kann, ist der Ausgleich zu dem tiefen Blick in den Abgrund, der ohne diese vulgäre Sprache vielleicht nie so deutlich hätte beschrieben werden können.

Dies ist kein Fachbuch im engeren Sinne. Aber eine ungeschminkte Konfrontation mit der grausamen Wirklichkeit des in seinem Trauma gefangenen Menschen und darüber, was Musik vermag.

Wer klassische Musik ehrfürchtig als edel, rein und verehrungswürdig empfindet, wird schon beim ersten Satz des Buches zurückschrecken und vielleicht nicht weiterlesen: „Von klassischer Musik krieg ich ´n Ständer“. Wie gesagt, man muss sich warm anziehen, denn das ist nur der harmlose Beginn. Angesichts der Schrecken, die wir beim Lesen nachfühlen können, wird die Musik nur umso größer, weil sie als das erscheint, was sie für Rhodes ist: Die einzige Rettung.